Mütter vorgestellt: Christine vom Mama arbeitet Blog


Christine heiβt unser heutiger Gast. Ein Leben
ohne Arbeit ist für sie genauso unvorstellbar wie ein Leben ohne Kinder, sagt
sie über sich selbst. Auf ihrem Blog Mama arbeitet berichtet sie neben aktuellen
Themen rund um das Thema Kinder vor allem von ihren Ups and Downs als arbeitende
und alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Ich mag vor allem ihren Schreibstil und finde
beindruckend wie sie es schafft, auch in anstrengenden Phasen nie ihre gute
Laune zu verlieren. Sehr lesenswert! Gestern hat ihr Blog übrigens seinen ersten Geburtstag gefeiert. Dazu gratulieren
wir ganz herzlich!
Als Journalistin schreibt sie vor allem über Familienthemen und ist auch
online sehr aktiv, so war sie z.b. einige Jahre Chefredakteurin der Liliput-Lounge. 
 

Mein Leben bevor ich
Kinder bekommen habe war diametral entgegengesetzt, kann ich ohne Übertreibung
sagen. Bevor ich schwanger wurde, war ich sehr nachtaktiv im Sinne von
ausgehfreudig. Es kam eher vor, dass ich um 6 Uhr früh nach einer durchtanzten
Nacht ins Bett fiel, als dass ich um 6 Uhr früh nach 8 Stunden Schlaf
aufgestanden wäre. Vor Mitternacht ging ich nie ins Bett, vor 9 Uhr stand ich
nicht auf. Und lieber erst um 11. Ich hatte sehr viel Zeit zum Reisen, Lesen,
für Kunst und Kultur generell, und hielt mich nicht sehr lange mit einem festen
Partner auf. Oder die sich mit mir ;). Ich lebte von vegetarisch von
Käsebrötchen, Gummibärchen, Milchkaffee, Sekt und Zigaretten. Heute vertilge
ich gerne Braten, Rumpsteak und Gemüse. Ungesunde Genussmittel gibt’s nur noch
in homöopathischen Dosen.


Mein Tag mit Kindern
fängt normalerweise so an: Idealerweise wache ich alleine im Bett auf – das ist
nicht immer garantiert, weil die jüngste Tochter (3) gelegentlich nachts die
Schlafstätte wechselt. Mein Wecker klingelt um 6:30 Uhr, dann wecke ich die große
Tochter (12), die schon um 7:15 das Haus verlassen muss, und ich bereite
drei  Frühstücksdosen vor. Vorher aber
habe ich geduscht und mich geschminkt, ich bin morgens um 7 komplett
ausgehfertig, was ich mir früher nie hätte träumen lassen. Der Erstklässler
wacht auf, bevor die 7. Klässlerin das Haus verlässt, zieht sich selbst an, und
fragt, wann wir endlich losgehen können zum Hort, wo er die Zeit bis zum
Schulbeginn verbringt. Ich reiße die Jüngste aus dem Tiefschlaf, denn sie soll
noch Pipi machen, Frühstücken und angezogen werden, bis wir um 7:45 das Haus
verlassen. Zwischendurch trinke ich einen sehr heißen Schwarztee mit viel Milch
und Honig. Das ist gut für die Nerven. Kurz nach 8 Uhr sitze ich entspannt und
kinderlos am Schreibtisch.

Im Alltag bin ich
gerne alleine. Was mir mit den Kindern am meisten Spaß macht, sind die
außergewöhnlichen Dinge, bei denen auch sie merken, dass man Sachen machen
kann, von denen andere Leute sagen, das ginge nicht. Zum Beispiel mit einem
winzigen Auto, wie wir es haben, als Alleinerziehende, nach Italien fahren.
Oder 1000 km an die Ostsee. Das Reisen, und seien es auch nur kurze Strecken
wie über den Schwarzwald nach Freiburg zu meiner Familie (1,5 Stunden) ist meine
absolute Lieblingsaktivität mit meinen Kindern. Mit Kindern generell bin ich
bevorzugt einfach nur im Hintergrund da, wenn sie bei uns im Innenhof spielen,
oder in der Wohnung – ich mische mit nicht viel ein, außer, wenn’s kracht. Ich
rede gerne mit Kindern, seien es meine eigenen, oder fremde, weil sie so
neugierig auf die Welt sind.

Am Mutter sein hat mich am meisten überrascht wie sehr ich
mich zurücknehmen kann. Und wie sehr ich mich zurücknehmen muss. Das war ein
sehr schmerzhafter Prozess, weil mein erstes Kind ein Schreibaby war, das mit
3,5 Jahren nach einer Polypenoperation zum ersten Mal durchschlief. Ich habe
extrem wenig geschlafen in diesen Jahren. Leider hat mich auch überrascht, wie
wenig sich mein (Ex-)Partner zurücknehmen konnte oder wollte, und dass der
Rückfall in traditionelle Geschlechterrollen via Erschöpfung sich ganz
hintertückisch ins Leben schleicht.

Ich hatte total
verquere Vorstellungen vom Muttersein – denn als ehemalige Berliner
Szenegängerin mit akademischem Hintergrund kannte ich überhaupt keine Mütter.
Ich dachte ernsthaft, nach dem Kinderkriegen seien alle Frauen rundlich und am
Bauch ausgeleiert. Das ist zum Glück bei mir gar nicht so. 🙂 Früher konnte ich mir nicht vorstellen,
dass ich für jemand anders mein Leben geben würde. Seit ich Kinder habe, ist
das anders. Grundsätzlich bin ich ins Dasein als Mutter eher wie ins kalte
Wasser gesprungen, ohne ein Bild davon zu haben, was das bedeutet.

Das schönste am
Mutter sein ist nie mehr allein zu sein. Einsamkeit kenne ich nicht, es ist
immer Leben in der Bude, ich werde bedingungslos geliebt und liebe
bedingungslos.
Nie mehr allein
zu sein ist gleichzeitig auch das schwierigste am Mutter sein. Die
Verantwortung für die kleinen zarten Kinderseelen, ihre Gesundheit, ihr
Gedeihen zu tragen, ganz allein.
In
Stresssituationen hilft mir eine gute Portion Schlaf am besten, so 10 Stunden.
Danach kann mich nix mehr erschüttern. Akut hilft mir durchatmen, meinen
schwarzen Humor hervorzukramen, und mich in sozialen Netzwerken auszukotzen
tauschen.

Ich kann mich
nicht erinnern, dass mir jemand einen guten Rat zum Thema Mutter sein gegeben
hat – ungebetene Ratschläge gab’s hingegen jede Menge. Mein Rat an
frischgebackene Eltern: lasst Euch helfen. Von der Familie, falls welche
greifbar ist, von Bekannten, Nachbarn, und auch von professionellen
Einrichtungen wie Schreiambulanzen, Kindertherapeuten, Gesprächskreisen,
Erziehungsfachleuten usw. Es ist keine Schande, wenn man zugibt, dass von
alleine nicht alles rund läuft. Es gibt so viele Hilfsangebote, die
wahrgenommen werden wollen – und oft reicht ganz wenig Hilfe, um viel
Veränderung zu erzielen!
 
Vielen Dank für’s
Mitmachen und die interessanten Einblicke, Christine. Mehr von Christine gibt’s auf ihrem Blog.

xx Michelle