Mit Schirm, Charme und Windeln – als deutsche Mutter auf dem englischen Land

„Du willst, dass wir wohin ziehen?!“, entgeistert blickte ich den Telefonhörer in meiner Hand an. „Aufs Land??“ 
So beginnt der Prolog meines derzeitigen Lieblingsbuchs. Geschrieben hat es meine Freundin Julia, die sich irgendwie unerwartet auf dem englischen Land wiederfand, nachdem ihr Freund den kompletten Hausrat von London nach Epsom umgezogen hatte, während sie mit Baby Nummer zwei für einige Monate in Deutschland weilte.
Das klingt jetzt dramatischer als es ist, Julia hatte durchaus ihre Zustimmung dazu gegeben, schiebt es aber auf die hormonelle Verwirrung und den Schlafentzug.
Seitdem sie nun nach Epsom gezogen ist, bloggt Julia. Über ihren Alltag auf dem Land, darüber, warum Engländer grundsätzlich sehr wenig anziehen, besonders wenn sich die Temperaturen dem Gefrierpunkt nähern, wie man Namensschilder in Schulsocken bekommt und darüber, wie man drei Männer erträgt, die gleichzeitig an „man-flu“ erkrankt sind. Lauter Kuriositäten, die das Leben mit Engländern auf dem Land bereit hält.

Die unterhaltsamsten und schönsten Momente hat sie jetzt in einem Buch zusammengefasst, das auf Amazon als E-book, also PDF, erhältlich ist. Hier ein Auszug:


Da waren zunächst die Kataloge. Als unserer ältester Sohn, genannt der kleine Autofanatiker, ungefähr ein Jahr alt war, begannen plötzlich diese Broschüren von Wohnungsagenten, die wunderschöne Häuser in einsamer Gegend verkaufen wollten, in unserer Wohnung aufzutauchen. Richtige Landhäuser mit riesigen Gärten. Wir lebten zu dem Zeitpunkt in einer Zweizimmerwohnung mit Balkon in Hampstead, im Norden von London, ungefähr zehn Minuten vom pulsierenden Zentrum Londons entfernt. In unserer Nähe gab es die riesige Grünanlage Hampstead Heath, mir persönlich war das genug Natur. Der große Autofanatiker sah dies offensichtlich anders.

Dann kamen die Bemerkungen, die ganz harmlos in Gesprächen auftauchten. „Die Wohnung hier ist doch eigentlich ziemlich klein, oder?“ Als ich mit unserem zweiten Sohn schwanger war, kamen die Hinweise immer regelmäßiger. „Wie soll denn das gehen, mit zwei Kleinkindern die ganzen Treppen rauf?“ Wir wohnten im dritten Stock in einem Haus ohne Fahrstuhl. „Meinst Du nicht, die Kinder hätten gern einen Garten?“ Gefolgt von „Auf dem Land hätten wir viel mehr Platz.“
Und dann natürlich die tägliche Seifenoper, die wir angucken mussten. „Emmerdale Farm“, die englische Version von „Forsthaus Falkenau“ meets „Lindenstraße“. Die Soap spielt in einem kleinen idyllischen Dörfchen im Norden von England mit einem großen Gutshaus, vielen hübschen kleinen Häusern, dem Dorfpub, dem Tante-Emma-Laden (die Probleme, die sich freilich in diesem kleinen Dorf abspielen, lassen selbst die gefährlichsten Stadtteile New Yorks noch wie sichere Gegenden erscheinen, aber das nur nebenbei). Der große Autofanatiker, der selbst in einer englischen Industriegroßstadt aufgewachsen war, schaute es mit Begeisterung an und seine Augen bekamen beim Anblick des Landlebens einen glasigen Ausdruck.
Ein absolut empfehlenswertes Buch, lustig und unterhaltsam geschrieben.
Hier noch einmal der Titel: Mit Schirm, Charme und Windeln – als deutsche Mutter auf dem englischen Land von Julia Wohlgemuth.