Keine Angst vorm Kinderarzt – Interview mit Dr. Renz

Ein anstehender Arztbesuch ist wohl für kaum ein Kind ein Grund zur Freude. Nicht verwunderlich, da dieser Besuch häufig mit Schmerzen oder Unannehmlichkeiten verbunden ist. Manchmal kann der Besuch beim Kinderarzt eine ziemliche Herausforderung für Eltern werden, zum Beispiel bei panischer Angst vor Spritzen. Was macht man in diesen Situationen? Dem Kind gut zureden? Es ablenken? Es für den Arztbesuch bestechen?
Wir haben Herrn Dr. Renz aus der Londoner Richmond Practice gefragt. Als Facharzt für Allgemeinmedizin wendet er erfolgreich verschiedene Methoden zur Beruhigung und Stressreduktion bei Kindern an und hat auf diesem Gebiet sehr viel Erfahrung gesammelt.

Ein bekanntes Phänomen für viele Eltern: eine Impfung steht an, der Sprössling beginnt schon auf der Autofahrt sich zu beschweren. Mit aller Überredungskunst schafft man es dann doch zum Arzt, aber beim Anblick des Arztes fliessen die Tränen, das Geschrei wird immer lauter und die Kooperation geht gegen Null. Wie würden Sie reagieren? Wie beruhigen Sie einen solchen Patienten?
Wir raten unseren Eltern, bereits im voraus mit Ihrem Kind den Arztbesuch zu besprechen. Kinder bekommen vor allem Angst, wenn sie nicht wissen, was Ihnen bevorsteht. Man kann den Arztbesuch auch zu hause schon mal z.B. mit dem Teddy oder der Lieblingspuppe durchspielen mit Arztkoffer etc. Ich denke es ist auch wichtig dem Kind zu erklären, warum die Impfung wichtig ist, daß man dann weniger krank wird etc. In der Praxis ist es dann hilfreich, eine möglichst entspannte und freundliche Atmosphäre zu schaffen im Wartezimmer mit freundlichem Empfang und Spielecke mit vielen interessanten Spielen. Desweiteren haben wir im Arztzimmer weitere Ablenkungsstrategien mit Spielzeugen und DVD-Fernseher mit der Lieblingssendung (in England Peppa Pig…). Von der ärztlichen Seite ist es dann wichtig, daß die Impfung möglichst schnell vonstatten geht, bevor sich unnötige Angst aufbaut.

Wie können Eltern ihre Kinder während des Arztbesuchs unterstützen?
Ich denke es ist vor allem wichtig, daß man als Elternteil selbst ruhig und entspannt bleibt. Wir Erwachsene haben oft genauso viel Angst vor Spritzen und diese wird häufig auf unsere kleinen Sprösslinge übertragen. Wenn man den Besuch schon mal zu hause durchgespielt hat kann man das ganze dann einfach nochmals beim Arztbesuch durchspielen. Der Teddy kann vielleicht zuerst eine Spritze bekommen. Spielerisch geht es meist einfacher!
 

Mit welchen Beruhigungsmethoden verzeichnen Sie die grössten Erfolge?
Wie bereits erwähnt geht es mit spielerischer Ablenkung meistens am besten. Auch die Peppa Pig DVD kommt bei den Kindern sehr gut an! Eine kleine Belohnung (bei uns gibt es Aufkleber und Rosinen) kann auch hilfreich sein.

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen? Welches Alter ist besonders schwierig?
Meiner Erfahrung nach ist da kein Unterschied zwischen Jungen und Mädchen. Ich denke zwischen 3 und 5 Jahren ist meiner Erfahrung nach das schwierigste Alter. Um so wichtiger ist es dann, die Kinder darauf vorzubereiten und Ihnen zu erklären, warum die Impfung nötig ist.

Zum Abschluss vielleicht eine eher persönliche Frage: Was reizt Sie als Arzt an London und gibt es etwas, das Sie im Vergleich zu Deutschland vermissen?
Mich persöhnlich reizt an London der sehr internationale Aspekt meiner Arbeit. Neben der deutschen Gemeinde in Richmond kommen viele unserer Patienten aus allen Teilen der Welt. Von medizinischer als auch sozialer Hinsicht ist das sehr spannend. Die evidenzbasierte Medizin ist im grossen und ganzen dieselbe weltweit. Allerdings gibt es da doch kleine Unterschiede und dann muß man doch individuell entscheiden, was für den Patienten am besten ist und was man den o. In solchen Situationen hilft es mir, mich mit meinen Kollegen in der Praxis auszutauschen. Desweiteren habe ich ein sehr gutes Netzwerk von Kollegen anderer Fachrichtungen, mit denen ich mich regelmässig austauschen kann.
Was ich von Deutschland vermisse? Die extreme deutsche Bürokratie sicherlich nicht! Der britische National Health Service ist oft sehr schwierig zugänglich und selbst bei Notfällen kann es schwierig sein, eine gute und schnelle Versorgung für unsere Patienten zu gewährleisten, was denke ich in Deutschland besser ist.

Vielen Dank, Herr Dr. Renz für das interessante Interview!

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Herr Dr. Renz ist Vertrauensarzt der deutschen und österreichischen Botschaft in London. In der von ihm gegründeten Richmond Practice im Süden Londons bietet er deutschsprachigen Patienten eine hausärztliche Betreuung nach deutschen Standards. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite der Praxis aerztehauslondon.co.uk